Ein Wintermärchen oder Vorsprechen am Stadttheater Aalen

[Video starten vor dem Lesen für die Musik!]

Was ein wunderbarer, kleiner Ausflug in das winterliche Baden Württemberg!

Ja, schon lange hatte ich kein so idyllisches Plätzchen besucht wie Aalen, dieses unberührte Fleckchen im schönen Ostalbkreis. Heute morgen um sechs gings los, im Frühtau zu Berge, hinein in die vereiste U-Bahn, zack, mal eben 104 Euro electronic Style Cashflow hinein in den Apparat, zack, drin in Deutschlands Elite Zug, ganz oben dabei, auf der Überholspur mit Deutschlands Leistungsträgern sozusagen.
Und während ich mir ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen kann – die Produkt Designer von Dr. Oetker haben einfach ganze Arbeit geleistet: ein Pudding Genuß namens „Kenia Feinherb“ erfreut meinen höchst anspruchsvollen Feinschmecker Gaumen – und ich mich frage, ob bald ein Schoko-Produkt namens „Somalia Light“ auf den Markt kommen wird, fliegt draußen das schönste Land der Welt an mir vorbei, getaucht in schneeweißes Weiß, als wäre das Christkind höchstselbst hinunter gestiegen mit seinem Puderzucker Set.
Einen Augenaufschlag später schon befinde ich mich am Ort meines Begehrens: in Aalen. Kaum merkliche 1:36h verspätet, die Bahn hat ihrem Namen diesmal wirklich alle Ehre gemacht und mich (fast) fahrplangerecht transportiert.

Die kleine Verspätung habe ich dem Theater zu diesem Zeitpunkt bereits mitgeteilt – ach ja! ..ich vergaß zu erwähnen: der uneigentliche Anlaß für meinen Winterurlaub ist ein „Vorsprechen“ am Stadttheater, man lud mich großzügig ein eine Kostprobe meines Könnens vorzuspielen. Und da bin ich nun, um 14:40 Uhr, gut 40 Min. später als gedacht. Am Telefon teilte man mir mit, die Intendantin des Hauses, Katharina Kreuzhage, habe am nachmittag einen Termin, sie könne erst wieder ab 18:15 Uhr. Wie unpraktisch das allerdings ist, fällt mir erst jetzt auf, da mir der junge Mitarbeiter des Theaters online auf bahn.de zeigt, dass die letzte Verbindung nach Berlin an diesem Tag um 17:30 Uhr ab Aalen geht. Uups. Moment mal, stimmt das wirklich? Ich schaue nochmal nach und stelle fest: Tatsache. Verbindungen nach 17:30 Uhr dauern um die 9 Stunden, inklusive Umsteigen und Wartezeiten an mitternächtlichen Provinzbahnhöfen, bei -6° C nicht unbedingt eine brauchbare Alternative.
Okay, also ganz in Ruhe, es wird sicher eine Lösung geben denke ich. Denke ich noch eine Weile, und versuche es noch ein Weilchen zu denken. Vielleicht kann die Intendantin ja früher von ihrem Termin zurück, oder es gibt den einen oder anderen Regisseur ihres Vertrauens, dem ich vorspielen kann, oder frau schlägt mir vor in Aalen zu nächtigen oder, oder.. vielleicht sollte ich mit ihr persönlich sprechen, um die Sache zu klären.
Allerdings gibt mir der Junge/Mann nicht ihre Telefonnummer. Ich versuche ihn freundlich zu überzeugen, dass es doch jetzt am besten wäre zu kommunizieren, um Mißverständnisse gegebenenfalls ausräumen und die Sache klären zu können. Nix da, die Nummer gibt er nicht raus. Er ruft auf mein Drängen bei ihr an und sagt mir er sei „weggedrückt“ worden. Ich bin etwas sprachlos. Er händigt mir eine Bescheinigung aus in der zu lesen ist, dass ich anwesend gewesen sei und das Vorspielen aufgrund „zeitlicher Differenzen“ nicht habe stattfinden können. Er sagt, ich könne ja ein andermal wiederkommen und findet meine offenbare Unschlüssigkeit offenbar befremdlich.
So langsam habe ich das Gefühl im falschen Film, oder besser: im falschen Theater zu sein. Ich fasse es nicht ganz und während ich bemüht ruhig bleibe, bitte ich ihn, der Intendantin eine Sms zu schicken mit der freundlichen und dringenden Bitte um einen Anruf. Er tippt die Sms und etwa zwei Minuten später bin ich draußen, auf Aalens Straße, kann es noch nicht recht glauben, tappe zum Bus, das Handy fest im Blick. Doch da wird kein Anruf kommen, dämmert es mir.
Ich schaffe es irgendwie, die Bahnfahrt mit Humor zu nehmen. Wohl weil mir klar wird: da wolltest du nie hin. Wer einen Vorstellungstermin für eine zweijährige, enge, künstlerische Zusammenarbeit (das Aalener Ensemble hat ganze 6 SchauspielerInnen) so legt, dass eine Verspätung bei Anreise über 500 Kilometer im Schneechaos ein etwa 30 minütiges Zeitfenster zu Nichte macht, hat vermutlich den russischen Außenminister getroffen, ist aber letztlich nicht ganz mein Fall.
Einen ausgefallenen ICE, 2 ICs und eine Regionalbahn später bin ich nach insgesamt Achtzehn Stunden wieder in Berlin.

Leave a Reply