“Die Antwoord” hinterlässt nach einem viel zu kurzen Konzert in Berlin eine nachdenklich stimmende Mischung aus Aggression und Resignation.
Ich war heute in der Maria (Club am Ostbahnhof Berlin) auf dem ersten stand-alone Deutschlandkonzert von “Die Antwoord”. “Die Antwoord” beschreibt sich selbst auf ihrer Homepage als “a futuristic rap-rave crew from South Africa who represent a fresh new style called ZEF” und bestehen aus “Ninja”, einem von oben bis unten mit schlechten Tattoos verziertem Typen mit Goldzähnen, Yo-Landi, einer bemerkenswert kleinen, blondschöpfigen Sängerin sowie dem sehr fetten DJ Hardtek und kommen aus Südafrika. Getreu ihrem Motto “taking over the interweb”, schafften es Die Antwoord mit ihren Musikvideos “Zef Side” und “Enter the Ninja” im Netz große Aufmerksamkeit zu erzielen – man kann getrost behaupten, dass “Zef Side” eines der Highlights der Musikvideos der letzten 12 Monate ist. Jeder, der sich für die Antwoord interessiert wird im Netz fündig, es macht regelrecht Spaß ein wenig zu recherchieren, es sei hier ein Artikel empfohlen der sich mit die Antwoord auseinandersetzt.
Jedoch ist der eigentliche Grund für diesen Text nicht einfach die Musik oder des Style der Gruppe. Denn heuteabend wurde nicht nur gerappt und geposed: der Ninja trat heuteabend auch bei laufendem Konzert einem abfeiernden Fan ins Gesicht. Der Junge Mann wurde von der Meute in Richtung Bühne bugsiert und es sah kurz so aus, als ob er bis oben auf die Bühne kommen würde. Doch das kam er nicht.
Der Ninja tritt zu
Der „Ninja“ trat ihm (gar nicht ninjamässig, eher teilnahmslos) mal kurz in die Fresse, woraus das Konzert für ihn zwangsläufig und mit Blutgeschmack im Mund vorbei war und am Ende des Konzerts blieben nicht gute Laune und Party, sondern eher ein paar offene Fragen übrig. Warum akzeptierte das Publikum den Tritt und hat sich nicht lautstark über diesen Gewaltausbruch beschwert? Was genau macht eigentlich den Reiz aus von “Die Antwoord”, was ziehen die für Publikum? Ist das Aggressionspotential von die Antwort Hauptaugenmerk der Fans? Wieder nur ein “Gangster Act”, bei dem es darum geht möglichst gefährlich und brutal rüberzukommen, Tabus zu brechen? – Die Athmosphäre war von Beginn an erwartungsgemäß leicht aggressiv, ein nicht allzu bunt – , sondern eher dunkel gemischter Haufen Mitte Zwanzig, eine Mischung aus Hip Hoppern, Partyhippstern und Autonomen, der man durchaus Charakter zutrauen könnte. Aber wo war der Charakter dieser Leute heuteabend?
Es heißt, die zwei Rapper seien Profis aus dem Südafrikanischen Fernsehen. Komiker, Schauspieler – “Die Antwoord” ihr neuester, ironischer Geniestreich. Das eigentlich beeindruckende an die Antwoord ist ihre Konzeption. Stets schwingt ein subtiler Humor mit in ihren Videos, das Gesamtkunstwerk der Webpräsenz ist so raffiniert, dass plumpes Gewaltgetue nicht ganz damit zu vereinbar scheint. Rob Malpage, der ihre Videos, ihre Fotos und ihren Webauftritt gestaltet ist ihr Schlüssel zum Erfolg. Die Inszenierung stimmt bis ins kleinste Detail, alles ist liebevoll und stets mit einer guten Portion Ironie gestaltet. Aber wo war diese Ironie heuteabend? Was genau ist da los beim “Ninja”?
Nach dem Tritt vergewisserte sich der Ninja mehrmals beim Publikum, seinen Fans, dass der “Störenfried“ auch tatsächlich ein Vollarschloch gewesen sei und rechtfertigte sein brutales Ausrasten mehrere Male. Anscheinend hatte keiner ein Problem mit seiner Art. Die Tatsache, auf einem Konzert zu sein, für das immerhin Geld bezahlt wurde, schien für die meisten Grund genug zu sein, den Abend auf jeden Fall feiern zu müssen – und das da vorne war ganz klar der Star des Abends, dem es galt zuzujubeln.
Scheiß auf Dich, solange Du uns Dein Geld bringst
Sehr merkwürdig, sehr unangenehm, wie da einfach weiter „gefeiert“ wurde. Vielleicht sogar der Tritt selbst gefeiert wurde, der in das Konzept des Abends, in die Erwartungshaltung der Gäste zu passen schien. Identifiziert sich der Künstler hinter dem Ninja vielleicht plötzlich ein Stück mit seiner erschaffenen Kunstfigur? Steigt ihm vielleicht sein Erfolg als gefeierter Vollassi zu Kopf? Geht es dem Ninja auch gut? Und das Berliner Publikum? Was ist da los? Lechzt es vielleicht nach echten bösen Ninja Gangstern, die auch vor blutigen Tritten ins Publikum nicht zurückschrecken, um ihre Credibility aufzupeppen?
Warum löst der Atzenkult (ZEF = Atze) aus Südafrika hier in Mitteleuropa jetzt noch einen derartigen Hype (der in Bezug auf die Antwoord gerade erst losgeht und in Zukunft noch von sich Hören machen wird) aus? Was genau finden wir (ich gebe ja zu, auch ich selbst fand mich ziemlich hipp, die Antwoord schon längst entdeckt zuhaben und hatte mich derbe auf das Konzert gefreut) so attraktiv am bereits tausendfach abgespulten Gangster-Atzen-Bass-Misch?
Viele werden heuteabend zu die Antword gekommen sein, um die perfekte Satireshow abzuholen. Und die Show war tatsächlich ziemlich genau das auf den Punkt gebracht, was das Internet versprochen hatte. Ninjas Stinkefinger war fast die ganze Zeit über erigiert, es gab allerlei politisch unkorrekte Tiraden und noch mehr böse Blicke, es wurde mit wachsender Begeisterung im Chor geschrien “Deine Mutter ist ne Fotze in ner Fischdose!”, womit das Publikum seinen Spaß hatte.
Das Statement von die Antwort könnte gewissermaßen lauten: “Du bist egal. Scheiß auf Dich, solange Du uns nur brav Dein Geld bringst.”
Wenn Satire sich wandelt
Wahrscheinlich ist es die krasse Härte, die viele Antwoord Fans bewundern. Aber inwiefern ist es nicht vielleicht ein drastischer und vielleicht alarmierender Unterschied, wenn das ursprünglich bewußt überzogene Statement auf einmal etwas Reales bekommt und die Satire kurz in Vergessenheit gerät? Könnte es in dem Falle von Die Antwoort vielleicht zu einer Umkehrung kommen, könnte die Satire sich zu dem entwickeln, über das sie sich ursprünglich lustig gemacht hat? Im Moment des Fußtritts, der im Gesicht eines feiernden Fans landete, war das so.
Die Grenzen bei die Antwoord scheinen nicht ganz so leicht auszumachen zu sein, und vielleicht ist genau das ihr Erfolgsrezept. 55 Minuten Konzert waren jedenfalls eine schwache Leistung, die man auch in der Rubrik “Scheiß auf unsere Konsumenten Fans” einordnen könnte. Die Liebe der Fans ging indessen auch nicht gerade ins Unermessliche. Nachdem im Club die Musik wieder anging, verflüchtigte sich das Publikum in kürzester Zeit ohne “Mehr” zu verlangen.
Kein wirklich großer, ein nachdenklich stimmender Abend.