Wenn wir die Welt retten, dann auf zwei Rädern

von Adam Nümm

Manche Abende verlaufen anders, als man es sich vorgestellt hatte. Meistens sind es die besten.

Als mich mein Mitbewohner am Nachmittag fragte, ob ich bei der „Fahrrad Demo“ mit radeln würde, hatte ich noch mit „Nö.“ geantwortet. Die jeden letzten Freitag im Monat stattfindende Fahrradtour durch Berlins Straßen war mir zwar schon zu Ohren gekommen, aber bisher hatte ich weder besondere Notiz von den sich allmonatlich unmittelbar vor unserer Haustür treffenden RadfahrerInnen genommen,  noch hatte ich mich genauer erkundigt, worum es sich bei der Sache eigentlich dreht.

Als ich  einige Zeit später, nach getaner Arbeit, einen kleinen Spaziergang um den Block machte, sah ich sie erneut: hunderte Radfahrer, jedweder Coleur, versammelten sich mal wieder am Heinrich Platz, einige von ihnen mit mobilen Musikanlagen ausgestattet, die sie mit Spanngurten an ihren Rädern befestigen oder im Anhänger hinter sich herziehen.

Es geht losEs geht los, quer durch die Stadt

Ob es meine Leidenschaft für mobile Soundlösungen war, oder einfach nur die Lust ein bisschen rauszukommen und frische Luft zu schnappen – fünf Minuten später stehe ich mitsamt meinem Fahrrad wieder auf dem Heinrichplatz und bin bereit für „Critical Mass“, für die kritische Masse, wie sich die Aktionsform selber nennt – ein Phänomen, wie ich später erfahren werde, das sich 1992 in San Francisco entwickelte und sich seitdem in Städte weltweit ausbreitet.

critical massAuch sportliche Biker sind dabeiAuf der Critical Mass sind jung und alt gleichermaßen vertreten // Auch sportliche Biker sind dabei

Um kurz nach Zwanzig Uhr werde ich Zeuge einer ungewöhnlichen Situation: feierlich wird ein Countdown runter gezählt und der Tross setzt sich, die Oranienstraße in westliche Richtung nehmend, in Bewegung. Das ganze ist so stimmungsvoll, dass es mich spontan an einen Etappenstart der Tour de France erinnert oder den Start eines Marathonlaufs. Allerdings ohne das ganze Brimborium drumherum: hier gibt es nur Radfahrer, die, von überall herkommend,  sich selbst organisieren – keine Absperrungen, keine Banner, keine Zuschauermassen. Nur das ganz normale Kreuzberger Publikum, das wie üblicherweise flaniert oder in den umliegenden Cafes sitzt und das jetzt durchaus angetan ist von der sich abspielenden Szene und sich offenkundig darüber freut, dass (wie so oft) wieder einmal etwas los ist in Kreuzberg.

Und schon bin ich mittendrin in der „kritischen Masse“. Einer von vielen. Ein Glied der Kette, die sich behende Richtung Stadtmitte ihren Weg bahnt; zumeist geht es geradeaus, den Anfang der Gruppe sehe ich längst nicht mehr vor mir. Ab und zu steht Motorradpolizei an gesperrten Kreuzungen oder besser: an Kreuzungen, bei denen außer uns alles steht; AutofahrerInnen, die warten müssen, bis wir vorbei sind. Ein schönes Gefühl, einfach so im Verband durch die City zu fahren.

Zusammen fahrenMan fährt: zusammen

Schnell fällt mir auf: der Umgang miteinander ist freundlich, die Stimmung ausgelassen. „Komm durch“ sagt einer zu mir, als ich etwas schneller fahre, und fährt extra für mich ein wenig zur Seite. Da freue ich  mich und fühle mich aufgehoben. So nett ist man im Straßenverkehr sonst nicht zu mir. Bemerkenswert finde ich, wie die RadfahrerInnen selbstorganisiert und ohne mit der Wimper zu zucken Autofahrer „blocken“ an Kreuzungen, wenn dies nicht gerade von Polizisten erledigt wird. Die vorderen fahren direkt an die entsprechenden Stellen und sorgen so dafür, dass die Autofahrer da bleiben wo sie sind – um den Tross der Radfahrer effektiv abzuschirmen.

Wo lang, entscheidet der FlowMuss auch warten, wie alle andere: StretchlimoWo lang es geht, entscheidet der Flow // Muss auch warten, wie alle anderen: Stretchlimo

Einmal, als wir uns einem Zebrastreifen nähern, wird die Gruppe gemeinsam langsamer und bremst ab; lässt die Fußgänger zuerst rüber gehen. „Alles nach Straßenverkehrsordnung“ sagt jemand, halb im Scherz. Ich werde später noch über diesen Satz nachdenken.

Wohin? – Keine Ahnung!

„Wenn irgendwann jemand die Welt rettet, dann auf 2 Rädern“, sagt ein junger Mann, nachdem ich ihn frage, warum er bei „Critical Mass“ dabei sei. Er ist sportlich gekleidet und trägt – passend zu seinem Rennrad – ein buntes Radfahrercappy. Von ihm erfahre ich endlich, worum genau es sich bei der ganzen Sache handelt. Critical Mass ist nämlich nicht – wie ich zuerst gedacht hatte – eine Demo, sondern ein echter, selbstorganisierter und daher „privater“ Fahrradausflug. Ich bin verdutzt. „Aber wohin geht denn der Ausflug?“ frage ich. „Keine Ahnung!“ bekomme ich zur Antwort. „Das weiß  keiner.“RadfahrerInnen blocken PKWan Kreuzungen, um den "Zug" zu scRadfahrerInnen blocken PKW an einer Kreuzung, um den Zug zu schützen

Einigermaßen verblüfft realisiere ich, dass diese Bewegung etwas sehr besonderes ist. Denn obwohl sich hier viele Menschen zusammen tun, für die gemeinsame Sache, gibt es keine Agenda, kein politisches Element, keinen konkreten Forderungskatalog und vor allem: keine Hierarchie. Außer den Menschen, die die Berliner Facebook Seite verwalten, ist da nichts – und das, wird mir relativ schnell klar, ist auch gut so. „Critical Mass ist schon ein Statement an sich, wenn auch ohne direkte Forderung. Wir nutzen unser Recht als Bürger im Straßenverkehr.“

B612-2015-05-29-21-06-00Xavor Pedal „Wird Zeit, dass sich unser Blickwinkel ändert“

Politisch im Unpolitischen

„Aber was ist mit den roten Ampeln, die wir ständig überfahren?“ möchte ich wissen. Xavor Pedal (wie sich der junge Mann später vorstellt), antwortet: „Das ist alles im grünen Bereich. Wenn man mit einer großen Gruppe radelt, gilt man laut Straßenverkehrsordnung als „Zug“. Das ist ja das geile.“ Die Vordersten, so erklärt er mir, müssen sich also durchaus an rote Ampeln halten und stehen bleiben, wenn rot ist. Ist dann grün und der Zug einmal in Bewegung, darf aber weitergefahren werden, auch wenn die Ampel wieder auf rot springt. Meine Verblüffung ist ungebrochen. Hier wird also gemeinsame Sache gemacht, der öffentliche Raum in Beschlag genommen und (manch einer würde sagen) ein riesen Verkehrschaos verursacht – aber alles innerhalb der gültigen Gesetze. „Warum Verkehrschaos“, sagt Xavor. „Das echte Chaos sind doch die ganzen Luftverpester. Nur haben wir uns an die leider gewöhnt. Wird Zeit, dass sich unser Blickwinkel ändert.“ Ja, da hat er wohl recht. „Wir Radfahrer haben doch genauso das Recht, unseren Raum zu beanspruchen wie die Autofahrer.“ Da gibt es nichts dran zu mäkeln.

SiegessäuleAuch der Kreisverkehr an der Siegessäule wir in Beschlag genommen

Ob ich mit dem Rad fahre oder mit dem Auto, ist meine Entscheidung. „Das Politische ist schon irgendwie da“, meint Xavor weiterhin, „Vielleicht steckt sozusagen das Politische im Unpolitischen.“ Interessant. Ich hatte mich nämlich schon gewundert, warum auf dieser Veranstaltung keinerlei Parteifahnen beispielsweise der Grünen zu sehen sind. Die Bewegung lässt sich nicht so leicht vereinnahmen, eben weil sie sich selbst nicht als „politisch“ verordnet – zumindest nicht offiziell. Dass nicht wenige, der hier versammelten Menschen durchaus politische Motive haben, finde ich nichts desto trotz leicht heraus. Die meisten der von mir interviewten RadlerInnen geben durchaus gerne ihre Unzufriedenheit preis, wenn es um die Rechtssituation in Deutschland geht, bezogen auf Radfahrer vs Autofahrer. „Eine Frechheit“ sei es, wie die Autofahrerlobby hierzulande von der Politik verhätschelt werde; einer fragt mich ganz offen und sichtlich erzürnt: „Wieviele von uns müssen eigentlich noch sterben, damit sich da endlich etwas tut? Neulich in Kreuzberg ist wieder ein Radfahrer von einem LKW getötet worden, Reichenberger Ecke Glogauer Straße“ Er erklärt mir die schwierige Situation und mir wird klar, dass sich hier viele Menschen Luft machen, die unzufrieden sind mit den herrschenden Verhältnissen.

Vorbei an Kulturstätten wie dem Haus der Kulturen der WeltVorbei an Kulturstätten wie dem Haus der Kulturen der Welt

Vielfalt trifft Entschleunigung trifft  Kultur

Die Menschen hier sind aber ohne Frage nicht alle vom selben Schlag, geschweige denn alle gleich motiviert. So unterschiedlich wie die Fahrräder, so unterschiedlich die Menschen: jung und alt radeln mit – der eine mit Mountainbike, andere  mit Fahrradkorb und wieder andere mit selbst zusammengeschweißten Liegerädern. „Für mich ist das die geilste Party überhaupt“ sagt Jonas, (22), Elektriker, und freut sich über die vielen Musikanlagen, die mit ganz unterschiedlichen Musikstilen einen gewissen Drive in das Ganze bringen. Gisela ist mit 69 Jahren erstaunlich fit für ihr Alter. Für sie ist die Möglichkeit, mal unbeschwert durch ihre Heimatstadt Berlin zu fahren, der Hauptgrund für ihre Teilnahme. „Das hat schon was, wenn man mit all den Leuten gemeinsam durch die Stadt fährt, in der man so viel schon erlebt hat. Man sieht ja auch was von der Stadt. In der Ubahn sieht man ja nichts.“Unterschiedlichste Räder und MenschenWie die Räder, so die Menschen: unterschiedlich

In der Tat, man sieht was. Und zwar so einiges. Als wir an einem prunkvollen Schloss vorbeifahren und ich schon seit einiger Zeit die Orientierung verloren habe, wird mir geholfen: „Das ist das Charlottenburger Schloss“, sagt Andreas (Mitte 50), Diakon aus Ostberlin. Für ihn war heute besonders die Durchradelung des Tunnels am Alexanderplatz von Bedeutung. „Da war ich mal festgesetzt worden, zusammen mit anderen Friedensaktivisten, Mitte der Achtziger. Normalerweise fährt man da ja nur mit dem Auto durch – mit dem Rad ist das schon was anderes, da werden Erinnerungen wach.“ Ob er sich vorstellen könne, dass aus der Critical Mass eines Tages auch so etwas wie eine Friedensbewegung werden könne, frage ich ihn. Andreas, Friedensaktivist und Diakon aus BerlinAndreas, Ostberliner Diakon, radelt zum ersten mal mit und ist begeistert

„Das ist sie doch schon. Wo sonst bitte schön hat man so ein friedliches Miteinander wie hier? Die Leute reden miteinander, anstatt – voneinander abgekapselt – im Stau zu stehen. Alle reden von Entschleunigung. Das hier ist gelebte Entschleunigung!“ In dem Moment heben die FahrerInnen vor uns alle gleichzeitig und geräuschlos die Hand und werden langsamer. Ein magischer Moment. Arm heben statt Warnblinker. Das hat was. Direktes. Geerdetes. Natürliches.

Regeln VS Vertrauen

„Regeln sind nur in einem bestimmten Maß sinnvoll. In dem Maß, in dem wir uns gegenseitig [als Menschheit / Anm.d.V.] misstrauen. Je mehr wir uns vertrauen, desto weniger Regeln brauchen wir“ sagt eine Radfahrerin, lächelt uns an und beschleunigt dann. Ich werde nachdenklich. Was, wenn wir vorhin am Zebrastreifen nicht aufgrund der Regel, sondern aus echter Rücksichtnahme auf die anderen abgebremst hätten? Wäre es vielleicht tatsächlich so, dass wir weniger Straßenverkehrsregeln (und allgemein weniger Regeln) bräuchten, wenn wir lernen würden, mehr aufeinander Acht zu geben? Oder, anders ausgedrückt, z.B. anstatt Autos nur noch Fahrräder benutzen würden? Ein schönes Gedankenspiel allemal.

critical massAuch gehandicapte MitbürgerInnen sind mit von der Partie

Je mehr ich über diese Dinge nachdenke, desto mehr wird das Radfahren an sich für mich zur vielseitigsten, zeitgemäßen gesellschaftlichen Metapher überhaupt. Egal ob Öko-Diskurs, Freiraum-Debatte oder der allgemeine Trend hin zu mehr Körperbewußtsein: mir scheinen die Hinweise darauf, dass diese Masse schon sehr bald tatsächlich eine „kritische Masse“ werden könnte, aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Motivierbarkeiten, unübersehbar groß. Und auch, als wir am Bundestag vorbeifahren und aus der Radlermeute laute Buh-Rufe erschallen, werde ich in meinem Instinkt bestätigt. „Wir werden jedes mal mehr, gewöhnt Euch lieber schon mal dran!“, ruft einer der Radfahrer den Sicherheitsangestellten am Reichtagsgebäude zu.Am Bundestag: Die Rufe werden lauterAm Bundestag: die Rufe werden lauter

Mittlerweile habe ich meine Orientierung wieder gefunden. „Ach, hier ist die Deutsche Oper!“ ruft ein jüngerer Teilnehmer seiner Freundin zu – Musik trifft Politik trifft Entschleunigung trifft Kultur.. Die Liste der Vorzüge dieses Fahrradausfluges ließe sich sicher noch fortführen. Mir aber tut mittlerweile – offen gestanden – der Arsch weh. Und dunkel ist es inzwischen auch. Hoffentlich, denke ich, fahren die da vorne bald mal rechts, damit es mal wieder Richtung Süden geht. Nach Eberswalde wollte ich heuteabend eigentlich nicht mehr radeln.. Zu allem Überfluss sehe ich, wie mein Nachbar sich einen Powerbar gönnt oder sowas – irgendeine Paste für Leistungssportler in einer Aluminiumverpackung. Plötzlich bin ich einigermaßen verunsichert. Bin ich hier vielleicht in so eine Art Marathon geraten – ein neuartiges Internet Massenphänomen für Sportverrückte? So sportlich sehen die meisten hier aber gar nicht aus.

Von MC Hammer über Falko bis hin zu Black Sabbath reicht das musikalische Spektrum auf der Critical Mass, auch Liebhaber elektronischer Musik kommen voll auf ihre Kosten

„Letztes mal sind wir um die 50 Kilometer geradelt“ höre ich jemanden sagen. Mir wird bang. Darauf bin ich nicht vorbereitet. Als ich meine Sorge laut ausspreche, entgegnet mir mein Nachbar gelassen: „Das gehört dazu. Wer will schon ein Leben ganz ohne Selbst Überwindung?“ Mir gefallen seine Worte. Und als wir kurz danach abbiegen, kann ich wieder lachen, denn die Musik gefällt mir im Dunkeln noch besser, einige RadlerInnen haben jetzt ausgefallene Beleuchtungen an Rädern und Kleidung – der Zug im Dunkeln verschmilzt zu einer fahrenden, pulsierenden Lichterkette.

„Ihr seid vieeeel zu viele!“ ruft laut ein Mitbürger mit Bierflasche in der Hand, als der Tross mitten durch Reinickendorf jagt. „Ich würde das echt gern mal von außen sehen, das dauert sicher eine halbe Stunde oder länger, bis alle durch sind, sagt Xavor, der mittlerweile wieder neben mir fährt. „Leider ist es auch gar nicht einfach, mal alle zu zählen, das sind bisher immer nur Schätzungen. Einige Tausend sind wir definitiv, vielleicht schaffen wir ja diesen Sommer mehrere Zehntausend. Da geht was!“ grinst er.

Eine Viertelstunde später entschließe ich mich, den Tross zu verlassen. Auch aus der Einsicht heraus, dass dies ein ganz zentraler Bestandteil des Ganzen ist: Menschen kommen zusammen und dann lösen sie sich wieder voneinander. Es gibt kein „Ziel“, kein offizielles Ende. Zwar, so heisst es, wollen einige wohl später noch ein bisschen zusammen im Volkspark Friedrichhain Musik hören und ein Bier trinken – aber das ist absolut keine Pflicht. Ich bin müde und habe Hunger. An der Straßenecke Danziger/Prenzlauer Allee lösen sich mit mir gemeinsam ein paar RadlerInnen aus dem Tross. „Kreuzberg!“ ruft einer. Da bin ich dabei.

Party Bikes by nightParty Biker by night

Als ich  wieder in meinem Kiez ankomme, ist es Viertel nach Elf. ich bin gute drei Stunden durch Berlin geradelt, circa 40 Kilometer. Das waren die kurzweiligsten drei Stunden seit langer Zeit. Ich brauche ein wenig, um mich wieder an den normalen Verkehr zu gewöhnen – es ist wie mit allem anderen auch: man gewöhnt sich schnell an neu gewonnene Freiheiten – andersherum ist es schwieriger. Vielleicht darf man ja hoffen, dass in Zukunft immer mehr Menschen in den Genuss des befreienden Radelns kommen. Und wenn dann, am Ende, die Fußgänger über die Radfahrer triumphieren, haben wir vielleicht gewonnen.

http://criticalmass-berlin.org/critical-mass/verhaltensregeln/

 

YOGA in Zeiten der SELBSTOPTIMIERUNG

Ich finde es grundsätzlich sehr gut, wenn immer mehr Menschen Yoga machen. Yoga ist (wie hunderte andere Möglichkeiten auch) für Körper, Seele und Geist eine wunderbare, entspannende und kräftige Sache, bei der wir uns darin üben können, etwas Gutes für uns zu tun.

Neulich beim Bikram Yoga hatte ich aber wieder einmal eine Begegnung, die mir bewusst gemacht hat, dass wir als Gesellschaft ein Grundsatz Problem haben, das man vermutlich nicht in Kursen oder oder durch bloße Beschäftigung mit „einer Sache“, einem „Trend“ oder einer „Disziplin“ in den Griff kriegt..

YOGA, eine Chance

Wir neigen zu Leistungsdenken. Selbst viele von denjenigen, die den Weg zu Yoga etc finden, lassen sich (oft unbewusst), vom Leistungsgedanken und entsprechenden Identifikationsmustern leiten.

Letztlich bringt das Bild vom Yogalehrer, der der Beste (und Erfolgreichste) sein will und der am Ende so viel Yoga (und später dann Yoga Business) macht, dass er mit Herzinfarkt umkippt, es auf den Punkt: wenn wir nicht wirklich achtsam mit uns selber sind, wenn wir immer wieder dem Trug erliegen, dass wir glauben besser sein zu müssen, besonders gut sein zu müssen, uns erst gut fühlen können, wenn wir besser sind oder mehr haben als andere – dann werden wir nie aus dem Kampf austreten können, der viele von uns so erschöpft.

Yoga ist zweifelsohne eine Chance. Ein Geschenk, bei dem viele von uns ahnen, wie wertvoll es eigentlich ist.

Ich hoffe, dass unser Streben nach Leistung, Profit und Optimierung am Ende nicht dazu führt, dass in unserer Gesellschaft vom eigentlichen Geist dieses‘ Geschenks zuletzt nicht viel mehr übrig bleibt, als ein Firmenlogo.

Fremdgesteuert – Mein Tagebuch in der Augmented Reality

Agenten mit dunklen Brillen. Es hat den Anschein, sie führen etwas im Schilde; planen etwas, schauen sich unauffällig um und widmen sich dann wieder ihrem „Handheld Device“. Es sind mehrere, ein Aussenstehender könnte wohl nicht genau erkennen wie viele es sind. Ich selber weiss es, denn: ich bin einer von ihnen. Nein, ich bin nicht im Film „Matrix“, sondern ich stehe mitten in Berlin, am Kottbusser Tor. Ich spiele „Ingress“.

Spätestens, wenn man herausfindet, dass Google hinter dem  Augmented Reality Game steckt, wird es interessant. Denn Ingress ist anders, als alles bisher dagewesene. Ingress hat das Potential, gesellschaftliche Dinge grundlegend zu verändern.

Ich habe es etwa eine Woche lang intensiv gespielt. Warum ich nicht länger durchgehalten habe, erfahren Sie in meinem Ingress Tagebuch.

ingress2

Tag 1

Durch einen Zufall lande ich auf der Wikipedia Seite zu “Ingress”. Dort lese ich:

“Ingress ist ein Augmented-Reality/Alternate-Reality-Spiel von Google, welches von Niantic Labs entwickelt und herausgegeben wird. Es ist momentan für Android und iOS verfügbar.

Der Spieler gehört zu einer von zwei Fraktionen, den Erleuchteten (Enlightened, grün) oder dem Widerstand (Resistance, blau). Ziel des Spiels ist, für die Fraktion, für die man spielt, möglichst viel Gebiet zu erobern. Dies geschieht, indem man Portale übernimmt und diese zu Feldern verlinkt, die diese Gebiete überdecken.”

Interessant. Ein Spiel, das man „in echt“ spielt. Also zwei Fraktionen gegeneinander – weltweit, wenn ich das richtig verstehe. Ich lade mir die gratis App runter, installiere sie und bin ab der ersten Sekunde in ihren Bann gezogen.

Ich sehe auf meinem Display meine Umgebung, ungefähr so wie man es von Google Maps kennt nur, dass alles in dunklen Grautönen gehalten ist und es an einigen Stellen anscheinend spezielle Orte gibt; ganz in der Nähe scheinen Portale oder Markierungen zu sein. Sehr interessant. Ich gehe vor die Haustür und absolviere das Training, das mir zeigt, wie ich Portale hacke und dadurch Belohnungen erhalte. Ich schreibe im in der App integrierten Chat, dass ich Anfänger bin und Hilfe in Kreuzberg suche, da ich zwar das Spielprinzip verstehe, aber  von all den verschiedenen Menüpunkten auf dem Interface noch etwas überfordert bin. Kurze Zeit später meldet sich “Bowery”, der wie ich selbst „Enlightened“ spielt und wir verabreden uns kurzfristig am Görlitzer Bahnhof. Ich bin echt gespannt, denn wie es aussieht treffe ich mich gerade zum ersten mal in meinem Leben mit einem Menschen, den ich über ein Spiel, also virtuell, kennen gelernt habe.

Und da ist er auch schon: Bowery ist ein gepflegt auftretender junger Mann um die dreissig, der beruflichen Erfolg und eine gewisse Intelligenz ausstrahlt.

Er erklärt mir freundlicherweise die Grundprinzipien des Spiels: Portale einnehmen, verlinken (miteinander verbinden) und dafür Punkte kassieren; hochleveln, damit man Portale schneller einnehmen,  besser bewaffnen und besser schützen kann, die dann, derartig hochgelevelt, wiederum bessere Gegenstände abwerfen („Farming“). Es gilt, ganze Bereiche so zu kontrollieren und nach Möglichkeit zu halten, immer wieder Portale zu melken und sich somit auf Dauer besser zu positionieren als der Gegner.

Der “Gegner”.. überlege ich und frage Bowery, wie es denn sei, wenn man auf den Gegner treffe. Er sagt, das sei unterschiedlich. Manchmal würde man sich ignorieren, manchmal gebe es ein Pläuschchen. Zu Übergriffen komme es nicht.

Ich muss zugeben, zu diesem Zeitpunkt bin ich extrem gespannt.

Und Bowery ist ziemlich motiviert, er bombardiert mich förmlich mit Informationen, die ich so schnell gar nicht alle aufnehmen kann. Wir laufen durch den Görlitzer Park und mir dämmert langsam, dass ich hier mit einem High-Level Spieler unterwegs bin, der im Nullkommanix jegliche gegnerischen Portale zerstört und „begrünt“. Grün, das ist unsere Farbe, die Farbe der “Erleuchteten” , während blau die Farbe des “Widerstandes” ist, unserer Kontrahenten. Bowery schiesst alles in Sekunden in den neutralen Zustand, und ich besetze dankbar alle frei gewordenen Portale mit meinen Level 1 Resonatoren. „Danke!“ sage ich, ja ich sage mehrmals “Danke!” als ich Dank Bowerys Assistenz Level 2 erreiche und wäre Bowery Spanier, würde er jetzt “Es nada!” entgegnen aber er tut ebendies ohne spanisch und ich denke mir, ja, hier verschmilzt der Avatar mit dem Menschen, hier BIST Du der lvl 80 Typ aus World of Warcraft, hier ist die Symbiose zwischen Spieler und Spielfigur ein ganzes Stück weiter fortgeschritten, irgendwie unheimlich ..aber ich will meine Ängste nicht an die Wand malen und stattdessen mache ich meiner Begeisterung Platz, ja, ich BIN begeistert, denn das hier ist  erlebbare Evolution, das hier ist spannend bis in die Haarwurzeln, das hier ist irgendwie speziell und ich ahne bereits, dass auch Berlin und ganz speziell Kreuzberg dieser ganzen Sache einen gewissen zusätzlichen Drive gibt.

Bowery erklärt mir, dass Berlin tatsächlich die höchste Spielerdichte weltweit hat, gefolgt von San Francisco und ich bin irgendwie beeindruckt – Berlin und San Francisco, diese beiden hippen Brüder. Das Spiel erscheint mir nach der Begegnug mit Bowery plötzlich gar nicht mehr nerdig, sondern eher wie ein super hippes Kulturphänomen auf der höhe modernster Technik, gewissermassen die ultimative Schnittstelle zwischen Nerdtum und digitalem Zeitgeist. Ich denke an San Francisco und daran, dass dort wahrscheinlich schon alle mit Google Glass spielen und ich bin irgendwie froh darüber, dass „Ingress“ hier in Berlin so viele Anhänger hat und habe mich kurzerhand mit Bowery für die nächsten Tage verabredet, er wird mich in die Google Gruppe der „Erleuchtet“ Fraktion für Berlin Neukölln einladen.

Tag 2

Irgendwie geht Ingress an diesem Tag an mir vorbei. Am späten Nachmittag gehe ich kurz vor die Tür, um das Portal auf meiner Strassenecke zu beschiessen. Ein Portal erreiche ich sogar von zu Hause aus – ein absoluter Vorteil, wenn das der Fall ist, hatte Bowery gesagt. Leider sind meine Level 2 Waffen so schwach, dass ich fast die ganze Munition verballere, ohne viel bei dem mit Level 6 Abwehr der Gegner befestigten Portal auszurichten. Morgen ist das Treffen mit den anderen Spielern, da werde ich dann sicher schneller leveln..

Tag 3

Es ist Sonntag und heute steht um 17h dasTreffen mit den anderen Agenten per Fahrrrad an. Ich bin gespannt wie das wird und weiss weder genau wo es hin geht, noch wie das ganze ablaufen wird. Bisher habe ich nur den Treffpunkt von „Marble Mary“ per Google Hangouts erfahren. Sie schrieb, sie habe meinen Kontakt von Bowery bekommen. Prima, alles läuft also und um ganz ehrlich zu sein, ich bin ein bisschen aufgeregt. Es ist eine angenehme, neue Aufregung, weil das, was ich heute erfahren werde, neu ist.

Um kurz vo 16h radel ich also zur Sonnenallee und muss schauen, dass ich nicht allzu spät komme, weil ich auf dem Weg noch schnell alle möglichen freien Portale besetze. Ich muss höllisch aufpassen, dass ich auf dem Fahrrad keinen Unfall baue, denn es ist richtig was los hier in der Parallelwelt: der Stadtteil zwischen Görli und Sonnenallee ist unerwartet grün, was mir direkt ein Gefühl der Genugtuung verschafft – ab der Sonnenallee wirds dann allerdings eindeutig Feindgebiet.

Als ich an der Polzeiwache vorbeifahre frage ich mich selbst scherzenderweise, ob das Team Grün wohl im Zweifel auch auf meiner Seite stehen würde. Auch Polizisten spielen Computerspiele und ich bin sicher, dass die meisten von ihnen sich für „grün“ entscheiden würden..

Schon von weitem mache ich meine Mitspieler aus: Eine Vierergruppe mit Fahrrädern. Aus der Entfernung würde ich sagen eher junge Leute, lässig gekleidet und irgendwie voller Tatendrang, so wie vor einer Schnitzeljagd.

Ich komme näher und bemerke, dass eine von den Vieren eine Frau ist, eine junggebliebene Vierzigerin, die sich mit “Mary” vorstellt und anscheinend meine Kontaktperson ist. Sie ist – wie alle anderen auch  – sehr freundlich und aufgeschlossen, ich stelle mich kurz vor und erkläre, das ich ein Newbe bin.

Es dauert nicht lange und die Gruppe vergrößert sich, wir werden am Ende zu neunt sein. Kurzzeitig glaube ich, zwei sehr hübsche Spanierinnen in der Gruppe auszumachen, als ein Teil von uns aus der brütenden Sonne zu den anderen in den Schatten wechselt, aber ich bemerke dann, dass die zwei Hübschen wohl nur zufällig ganz in der Nähe auf den Bus warten. Schade.

Wir teilen uns in zwei Gruppen. Mary, die eine der Gruppen anführen wird,  hat sogar einige DIN A4 Seiten ausgedruckt von sogenannten “8tern”, also feindlichen Portalen der Güteklasse A+, die es heute gilt, dem Erdboden gleichzumachen und mit eigenen Verteidigungsanlagen zu bestücken. Die Situation ist so nerdig, dass es herrlich surreal ist: die Dialoge wären für Aussenstehende absolut nicht nachvollziehbar, genauso gut könnten wir kauderwelsch reden. Ich selber rede kaum, ich höre zu und lerne.

Die meisten haben an ihren Fahrradlenkern Smartphonehalterungen angebracht. Tatsächlich bin ich bin der Einzige, der ohne solch eine Halterung loszieht.

Ich entscheide mich, in der anderen Gruppe mitzufahren, die offenbar mehr Portale auf der Route zu knacken hat und stelle fest, dass auch in unserer Gruppe eine junge Frau mitradelt.  Sie macht eien eher schüchternen Eindruck und trägt einen braunen Rock, der fernöstlich angehaucht ist mit lauter weißen Zeichen drauf. Sie wirkt ein bisschen wie ein Öko – was ich spannend finde, denn einen Öko hätte ich hier nicht erwartet.

„Torpedo“, der schon ein sehr hohes Level erreicht hat, ist unser Anführer. Ich erkläre mehrmals, dass ich mich über jede Hilfestellung freue und mir wird großzügig entgegengekommen. Ich fahre in der nächsten Stunde meist hinterher, um neutralisierte Portale mit meinen Resonatoren zu bepflanzen – was mir sehr hilft beim Punkte sammeln und was ich den anderen hoch anrechne – wieder bin ich dankbar und wieder staune ich über die soziale Dynamik in diesem Spiel: eine Hand wäscht die andere, man zieht gemeinsam los und ich werde als Neulig herzlich empfangen, da jeder, der willens ist, für die gemeinsame Sache zu kämpfen, die Gruppe insgesamt verstärkt. Alle ziehen hier an einem Strang, soviel ist klar.

An ein oder zwei Stellen kommt es beinahe zu etwas wie einem kurzen Dialog zwischen mir und Remedy24, der Öko Frau und auch mit Tombo, dem Typen mit gelbem Tshirt und Schlägermütze, verständige ich mich auf einen Smalltalk.

Um ehrlich zu sein: das alles ist für mich irgendwo zwischen merkwürdig, lebensmüde ( ich werde gefühlte 23 mal beinahe überfahren, weil ich mitten auf der Strasse mal wieder irgendwelche Portale “deploye”) und cool (die Sonne scheint, was gibt es besseres als eine Radtour durch Rixdorf!?). Ich levele fleissig hoch, aber muss meistens genau aufpassen, wo die anderen abbiegen, weil ich immer erst die leeren Portale deploye, die die anderen kurz zuvor freigelegt haben. Nach einiger Zeit wird das ganze aber dann doch ein wenig zäh – geredet wird ja kaum und so langsam wird die Sache ein wenig erschöpfend. Ich bin zwar schon fast Level 5,  aber heute ist für mich die Luft raus. Nach etwas zwei Stunden biken schaue ich auf die Uhr und bin froh, dass ich am abend noch eine Real Life Verabredung habe.

Dass ich es unaufmerksamerweise ausgerechnet an diesem Tag schaffe, 50 Euro, die ich soeben am Geldautomaten auf der Karl Marx Strasse abgehoben habe, zu verbummeln, hat mit hundertprozentiger, absoluter Sicherheit damit zu tun, dass ich, während ich noch am Geldautomaten stehe, nebenbei weiter irgendwelche Portale hacke und in meinen „Scanner“ (mein Smartphone) starre.. SHIT!

Trotzdem erzähle ich abends überschwänglich meinen Kumpels von dem neuen Spiel, das mich immernoch begeistert. Ich zeige ihnen die App auf dem Handy und merke, wie der Begeisterungsfunke auf den ein oder anderen sofort übergeht, als ich ihnen zeige, wie ich in der Nähe befindliche Portale abschiesse und erwähne, dass gaz in der Nähe feindliche Agenten sein müssen. Meine Kumpels machen große Augen – auch Ihnen ist sofort klar, dass diese Spiel reale und virtuelle Ebenen miteinander verbindet, wie es zuvor noch nie der Fall war. Zwei Kumpels laden sich die App sofort runter und schlagen sich zu meiner Fraktion. Ziemlich begeistert und beim dritten Bier machen wir Pläne, dass wir bald in Kreuzberg den Ton angeben werden und mit gezielten Aktionen den Blauen die Petersilie gehörig verhageln werden!

Tag 4

Ich bekomme mittags eine SMS und lese, dass mein Kumpel Jakob sich jetzt auch Ingress installiert hat. Wir treffen uns kurze Zeit später bei mir und ich erkläre ihm die Basics. Zum ersten mal gucke ich in die strategische Übersichtskarte auf der Ingress Website auf dem Laptop, um zu sehen, wo wir am leichtesten „deployen“ (also leere Portale besetzen) können.

Wir laufen ein wenig die Oranienstrasse runter, dann über den Kotti zur Reichenberger. Mittlerweile weiß ich bereits auswendig wo in meiner unmittelbaren Nachbarschaft welche Portale zu finden sind und welche Strecken sich lohnen. Diesmal zeige ich den Weg an. Jakob levelt auf  und freut sich dabei tierisch. Irgendwann haben wir genug von der Rumrennerei, bei der wir ständig beide aufs Display starren und alle paar Meter gemeinsam Portale besetzen und entscheiden uns, ein eine kleine Eis-Pause in der Manteuffelstrasse zu machen.

Wir lecken also nach getaner Arbeit an unserem Eis herum, als ich doch nochmal in meinen Scanner gucke. Das gibt es doch nicht! Offenbar hat da jemand von der Gegenseite in den letzten 3 Minuten unser vollbesetztes Portal angegriffen und schon wieder übernommen. Ich stelle erleichtert fest, dass es offenbar ein noch schwacher Spieler ist, da er nur Level 2 Resonatoren verwendet und greife sofort, noch an der Eisdiele sitzend, das Portal auf der anderen Strassenseite an. Da sagt Jakob, er könne den Feind sehen, er habe Sichtkontakt, und deutet auf einen jungenTypen im schwarzen T-Shirt, der ziemlich intensiv auf sein Handy starrt.

Die Situation ist irgendwie strange: da vorne steht also unser erster echter Feind. Er sieht ziemlich sympathisch aus. Ein hübscher, dunkler Typ mit längeren Haaren, mitte Ende zwanzig. Kurzerhand rufe ich in seine Richtung und winke mit meinem Smartphone. Er versteht es und kommt zu uns rüber. Ich stelle mich mit echtem Namen vor und mache einen Scherz, um die Situation ein wenig aufzulockern.

In dem Momet kommt auch noch Bowery dazu. Offenbar hat er die ganze Situation auf seinem Scanner mitverfolgt und jetzt sehe ich, dass er das umkämpfte Portal wieder für uns eingenommen hat, was sich irgendwie gut anfühlt. Der Blaue ist in der Unterzahl und wird alleine nicht viel gegen uns ausrichten können. Wir versuchen ein bisschen Smalltalk, aber so richtig will das nicht funktionieren. Der Widerständler interessiert sich allerdings rege für „Bowery“ und der wirkt plötzlich recht verschlossen. Nach einer Weile ist alles gesagt und der junge Mann verabschiedet sich freundlich. Als er weg ist, erfahre ich von Bowery, dass die beiden so eine Art Erzfeindbeziehung führen um die Vorherschaft in der Manteuffelstrasse, in der Bowery wohnt.

Für heute war es das mit Ingress, denn mein Handyakku ist – mal wieder – leer und ich brauche dringend mal ne Pause. Offen gestanden dämmert mir langsam, dass Ingress so etwas wie eine Vollzeitbeschäftigung ist, denn man kann es eigentlich immer und überall spielen – vorausgesetzt der Akku hält.

Tag 5

Innerlich widerwillig habe ich den Tag über immer mal wieder, sozusagen „nebenbei“, das ein oder andere Portal erobert und besetzt. So richtig euphorisch bin ich dabei allerdings nicht mehr. Dennoch will ich noch aufs höchste Level kommen – das habe ich mir vorgenommen, was ja auch bald geschafft sein wird: bis zum höchsten, achten Level sind es nur noch zwei zu erklimmen.

Mehr aus Langeweile denn aus Motivation schaue ich am frühen Abend noch mal in die Ingress Map und entdecke, dass einige von mir besetzte Portale in der Zwischenzeit nicht mehr ganz so gut intakt sind. Sie wurden wohl schon wieder angegriffen. Weil ich gerade Zeit habe, entschliesse ich mich kurzerhand noch einmal rauszugehen, das wieder zu „korrigieren“ und noch ein paar Punkte zu sammeln.

Ich laufe also wieder mal in meiner Gegend rum, den Weg um den Block, den ich in den letzten Tagen ziemlich oft gegangen bin. Ich bekomme Hunger und gehe zum Falafel Mann. Während ich auf meinen Falafel warte, habe ich eine sehr spezielle Begegnung. Zum ersten mal verdächtige ich andere Leute, Agenten zu sein, denn dieses mal bin ich absolut nicht sicher. Es ist eine Dreiergruppe, zwei Mädels und ein Junge, alle Anfang zwanzig. Die eine schaut öfter zu mir rüber und das Portal, das ich eben noch erobert hatte, ist jetzt wieder neutral. Alle drei reden manchmal miteinander, wenden sich dann aber wieder ihren Smartphones zu.

Ich bin verunsichert. Spielen die jetzt das Spiel oder spielt mir das Spiel einen Streich? Ich bin kurz davor, sie zu fragen – entscheide mich aber dann dagegen. Mein Falafel ist fertig und ich verlasse den Laden. Zum ersten mal hatte ich eine sehr sonderbare zwischenmenschliche Begegnung, bei der ich mich am Ende nicht mehr wohl gefühlt habe.

Tag 6

Wenn ich unterwegs bin, zu Fuß, mit dem Rad oder der U-Bahn, bin ich mittlerweile standardmäßig nebenbei am hacken. Als ich heute Am Görlitzer Bahnhof an der Ampel stehe, habe ich eine weitere sonderliche Begegnug. Ich glaube, in der schönen Frau, die dort, ein paar Meter weiter in ihr Smartphone schaut, eine Agentin zu erkennen. Ich kann dabei nicht genau sagen, wie ich darauf komme. Während ich mich noch frage, ob sie tatsächlich eine Agentin ist, geht mir ein Licht auf. Ich schaue mich um und mir wird plötzlich klar, dass im Berliner Sommer 2014 wirklich fast ALLE Menschen nur noch in ihr Handy starren. Es wirkt auf mich fast wie ein psychedelischer Augenblick, aber es ist kein schöner; ich schaue mich in Ruhe um und sehe überall Menschen, die beschäftigt sind, abwesend, komplett in einer anderen Welt versunken. Ich komme mir vor, wie in der Zeitlupe eines ScienceFiction Films, der im hier und jetzt spielt. Überall sehe ich Menschen, die ihren Handheld Device umklammern und ihren Blick nach unten richten. Menschn aller Altersklassen, aller Hautfarben und jeglicher Ausstrahlung, alle sind in Bewegung, aber keiner ist hier, vor Ort. Alle sind woanders, alle spielen Ingress oder chatten oder checken oder tun irgendwas mit dem Computer, den sie bei sich tragen, mit dem Soulmate, mit ihrem besten Freund, diesem kleinen Helfer, dem sie alles anvertrauen, der alles über sie weiß und immer dabei ist, immer ansprechbar, vorausgesetzt sein Akku hält.

Tag 6, später Abend

Ich stöbere wieder mal in der Übersichtskarte und sehe, dass an der East Side Gallery jede Menge Portale weit offen sind, d.h. neutral oder grün und kaum besetzt. Mit einem irgendwie widerwilligen Gefühl im Bauch setze ich mich aufs Rad, es ist bereits dunkel draussen und nasskalt..

Ca. 2 Stunden später bin ich wieder zu Hause. Ich habe eine runde gemacht. Was habe ich erlebt?

Ich hab mich gefragt, was sage ich, wenn ich jemanden treffe und von ihr/ihm gefragt werde was ich mache? Ich würde wohl sagen, was Sache ist, auch wenn ich einen Moment daran zweifle.

Ich bin angeknurrt worden und angekläfft. Mehrmals. Ich habe das Gefühl, Hunde spüren meine geistige Abwesenheit, meine „Nicht Präsenz“.So oft angekläfft wie heute wurde ich noch nie. Ich erinnere mich noch genau an die Worte einer frau, die sagte, “Komisch, das macht der sonst nie! Was ist denn mit dir los, WauWau?” So sehr ich in das Display vertieft war, so sehr überraschte mich jedes mal das plötzliche Kläffen und Knurren. Als wäre ich mit meiner Aura zu weit und ohne entsprechende Vor- oder Rücksicht in die Aura des entsprechenden Tieres geraten.

Ich habe mich selbst dabei erwischt, wie ich bei einem Passanten aufs Handydisplay gaffte, in der banalen Hoffnung, er könne mich per Kapsel (mit Kapseln kann man Mitspielern virtuelles Equippment übergeben) mit Resonatoren versorgen, die mir gerade ausgegangen waren…

Mir wurde von einer Gruppe zu gerufen, es sei längst grün, ich könne losfahren.

Ich stand auf dem Mittelstreifen einer Schnellstrasse, während ich Portale hackte.

Ich polterte viel zu steile stufen mit meinem Fahrrad herunter, sodass mir fast meinHandy aus der Hand viel.

Ich hielt mich in dunklen Ecken und Winkeln auf, die mir bei genauerer Betrachtung gar nicht geheuer waren.

Ich wurde verdammt hastig, als mir der Akku knapp wurde. Das ging sogar soweit, dass ich meinen Freund Robert am Telefon regelrecht abwürgte, obwohl er mir gerade begeistert von einer tollen Sache vorschwärmte.

Ich kam zuletzt hier zu Hause an, zwar mit einigen tausend AP mehr, aber ich fühlte  mich irgendwie leer, ausgesaut, nicht wohl in meiner Haut. Ich fühlte mich irgendwie.. unauthentisch, ja nahezu fremdgesteuert. Was habe ich in den letzten 2 stunden gemacht? Was für ein Weg war das, den ich da zurückgelegt habe? Hab ich eigentlich noch alle Tassen im Schrank?

 Tag 7

Zum wiederholten Male ist mein erster Gedanke unmittelbar nach dem Aufwachen: “Hacken! Steht mein Homeportal noch?! Sofort die Zeit nutzen und hacken!”

Ich werde den ganzen Tag nicht richtig wach, das Wetter ist schwül und ich entscheide mich, einen Nachmittagsschlaf zuhalten. Während die Snooze Funktion meines Weckers immer wieder bimmelt, befinde ich mich in einer art Halbschlaf. Ich sehe lauter Portale und bin nicht sicher, was zu tun ist. Irgendwie scheint diese Art des Halbschlafs, diese Sphäre dazwischen, der optimale Zustand zu sein. Ich drücke immer wieder auf Snooze und bilde mir ein, mit jedem Drücken ein Portal zu reloaden – so ganz genau kann ich nicht wiedergeben, was da in meiner Vorstellung passiert, aber  ich scheine mich optimal in das Spiel zu integrieren, oder das Spiel in mich. Stunden später dämmert mir, dass ich viel zu lange geschlafen habe, und völlig zerknittert begreife ich, dass der Wecker längst aus ist und Ingress meiner Psyche einen gehörigen Streich gespielt hat.

Ich glaube ich brauche dringend ein paar Tage Pause von dieser wirklich unheimlichen Angelegenheit.

Tag 8

Obwohl ich mir selbst eine Pause verordnet hatte, spiele ich weiter. Es gibt zu viele Situationen, in denen der kurze Blick auf den Scanner zu verlockend ist, nur noch eben kurz auf dem Weg zur U-Bahn ein paar Portale hacken, ja sogar während ich diesen Text schreibe hacke ich nebenbei mein “HP”, mein Home-Portal. Mitterweile habe ich es mit Heat sink und Multihack ausgestattet, damit ich es noch öfter hacken kann und auch sonst bemerke ich, dass sich mein Spielverhalten schon recht deutlich gewandelt hat in dieser einen Woche. Ich weiß nicht mehr nur wo die Portale in meiner unmittelbaren Nachbarschaft liegen, sondern auch, wie sie heissen und wenn ich einkaufen gehe oder ein Eis essen kann es gut sein, dass ich doppelt so lange brauche, weil ich ständig auf den Scanner starre.

Warum mache ich das?

Ich weiß es nicht genau. So lange ich das Ziel habe, einen Bericht über das Phänomen zu schreiben, kann ich mein Gewissen halbwegs beruhigen, so scheint es. Aber ich habe es mir innerlich längst eingestanden: ich spiele weiter gegen das bessere Wissen, dass Ingress mich im Leben kein Stück weiter bringt. Ich kenne das Gefühl von früher, wenn ich vorm Rechner saß und merkte, dass ich Zeit durch den Fleischwolf drehe – spiele, anstatt mich dem echten Leben zu zu wenden. Dieses Gefühl trat zuletzt immer häufiger auf, immer dann, wenn ein Game mich nicht mehr völlig in seinen Bann ziehen konnte. Ich kenne es noch gut, dieses Gefühl und meine Reaktion darauf: Nur noch schnell durchspielen! Nur noch schnell die Kampagne beenden, dann kann ich es weglegen, dann habe ich es geschafft, noch schnell herausfinden wie das Spiel zu Ende geht, aber dann ab damit in die Tonne! Abhaken! Aber wie ist das bei Ingress, mit dem “durchspielen”? Da ist keine Kampagne, die sich durchspielen lässt. Was hält mich bei der Stange?

Nach einer Woche Ingress bin ich Level 7 und merke bereits, dass es noch ein weiter Weg ist, bis zum ersehnten Level 8. Level 8 ist zwar nicht der höchste Level im Spiel, aber dennoch so etwas wie ein ultimatives Ziel: Mit Level 8 kann man die stärksten Portale bauen und die besten XMPs benutzen, man ist sozusagen wer. Ich denke “bis Level acht mach ich noch, danach mal sehen..” Ein bisschen ist es wie eine Beruhigung sich selbst gegenüber, das der Zauber bald ein Ende hat. Aber ich traue mir selbst nicht ganz. Ich schiebe den Gedanken beiseite und hacke mal wieder ein Portal. Ja, ich will.  Level acht sein.

Tag 9

Heute gehe ich zum ersten mal auf eigene Faust farmen. Dazu radle ich am Nachmittag zum Russendenkmal in Treptow. Dort gibt es auf engstem Raum unglaublich viele Portale. Leider ist der Zeitpunkt, zu dem ich dort ankomme, ungünstig. Als ich von zu Hause losfuhr, war hier noch alles grün. Mittlerweile ist alles blau. Hier sind ziemlich viele Mensche unterwegs und ich blicke nicht durch, wer hier Agent ist und wer einfach nur so in sein Handy starrt. Ich warte ein wenig ab, ob noch etwas Bewegung in die Portal Situation kommt. Ich versuche, das ein oder andere Portal zu erobern, jedoch ohne Erfolg – der Gegner scheint in der Überzahl, ich habe keine Chance. Als sich auch nach einer halben Stunde nichts Grünes bemerkbar macht, fahre ich unverrichteter Dinge wieder.

Auf dem Nachhauseweg hacke ich wieder alles, was geht. Level acht werde ich heute wohl nicht mehr schaffen.

Zwanzig Meter vor meiner Haustür trete ich in einen großen Haufen Scheisse, den ich in meiner Parallelwelt leider nicht angezeigt wurde. Ich rege mich kurz auf, um dann beherzt aufzulachen. Die Absurdität der Situation hat eine unfreiwillige Komik. Spontan lasse ich die letzte Tage Revue passieren und mir ist so, als ob etwas in mir drin sagt: lass es! es ist total albern. Du bist nicht mehr Du selbst, Du bist nicht wach, wenn Du permanent in dein Handy starrst und wie ein Zombie durch die Gegend irrst, Du gehst nicht mehr Deine eigenen Wege..

Ich gebe innerlich dieser inneren Stimme recht. Und bin froh, dass der Scheisshaufen mir einen Schubs gegeben hat.

Dieser Bericht ist nun zu Ende. Echtes Leben, Du hast mich nun wieder, denke ich, und eigentlich könnte ich mal wieder ein bisschen Platz machen auf meinem Speicher, der ist eh viel zu voll.

Good Bye, Lvl 8.

Delete Ingress?

Yes.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wovor habt ihr Angst?

Über die unbegründete Panik moderner Atheisten, die uns unfrei und klein macht.

Halten Sie sich an das hierzulande gültige Tanzverbot an christlichen Feiertagen? Oder wussten Sie überhaupt gar nicht, dass so etwas existiert? Feiern Sie christliche Feiertage gewissenhaft und gehen sie jeden Sonntag in die Kirche? Oder kennen Sie jemanden, der das tut (ihre Großeltern zählen nicht!) Nein? Dann sind sie keine Ausnahme: In Deutschland gehen nur noch geschätzte 2% der Menschen regelmäßig zum  christlichen Gottesdienst. Jedes Jahr verliert die Kirche durch den demografischen Prozess etwa eine halbe Millionen Mitglieder. Die Religion hat nicht mehr viel zu melden, könnte man meinen.

Gut so, werden diejenigen sagen, die in Religionen in erster Linie eine manipulative Instanz, ein Blendwerk für Unmündige, ein perfides Mittel zur Unterdrückung sehen – lang ist schliesslich die Liste der Kriege und Kämpfe, die der Glaube an Religion den Menschen aufgebürdet hat.  Aber obwohl die Fakten eine klare Sprache sprechen und die Säkularisierung der Gesellschaft hierzulande mit beharlicher Konstanz voranschreitet (daran ändern auch ca 45 Millionen eingetragene Konfessionen nichts), ist die Polarisierung, die Religion gerade heute wieder entfacht, größer denn je. Die Vehemenz, mit der sich gerade Atheisten aus der Mitte unserer Gesellschaft spätestens seit Machwerken wie „Gotteswahn“ von Richard Dawkins heute – insbesondere nach den aktuellen  Anschlägen von Paris – zu Wort melden, ist zunehmend spürbar.

„Keinen Deut zurück weichen“ dürfe man, auf keinen Fall „einknicken“ oder gar vor dem „religiösen Gegner kapitulieren“. Eine Sprache, die offenbar bereits mitten im Krieg angekommen ist, also dort, wo der Terror sich selbst gern verortet. Irgendwie verwunderlich; könnte man doch annehmen, dass Atheisten eher die Gemäßigten, die „Gechillten“ sein würden – immerhin gibt es ja kein heiliges Buch, das ihnen die Marschrichtung eintrichtert und ein ewiges Leben in Aussicht stellen würde. Aber anstatt Gelassenheit zu predigen, geht es bei den modernen Religionslosen ordentlich zur Sache: die „Religiösen“ sind  als Gegner der eigenen Überzeugung ausgemacht und im sich anbahnenden Kampf der Kulturen scheint es (zumindest hier in Europa) derzeit weniger zwei rivalisierende Religionen zu geben, als vielmehr Atheisten auf der einen Seite und Islamisten auf der anderen. Die Atheisten schliesslich sind es, die mehr und mehr den Fokus unserer Mitte ausmachen – aufgeklärte, fortschrittliche, moderne, freiheitsbewusste und auch ein wenig stolze Bürger, denen ihre Individualität weit mehr bedeutet als die sonntägliche Messe. Dabei sind moderne Atheisten oft nicht weniger von ihrer Mission überzeugt als Gläubige. Ihre „Werte“ gilt es, so sagen sie, mit allen Mitteln zu verteidigen. Der Kampf zwischen unterschiedlichen Glaubenssystemen ist längst entbrannt – ein Kampf, bei dem es einzig und allein darum geht, wer recht hat, wer das „bessere“ Weltbild hat. Und obwohl dieser Kampf nie zu entscheiden sein wird (es sei denn Gott höchstpersönlich kommt mal wieder auf die Erde hinunter, deutet auf eine der beiden streitenden Gruppen und sagt „Ihr habt gewonnen“), mischen diejenigen ordentlich mit, von denen man eigentlich ein gewisses Maß an Gelassenheit erwarten würde, wenn man ihrer Erhabenheit über derlei Dinge Glauben schenken darf. Zwar benutzen die Atheisten Europas bisher nicht die bedeutungsschwangere und verklärte Sprache, wie sie in den USA von christlichen Administrationen seit Jahrzehnten auf gruselige Weise zum Vorantreiben politischer Agenden gebraucht wird, jedoch scheinen auch sie durchaus bereit, ihre „Errungenschaften“ und Ziele im Zweifelsfall erbittert und mit aller Konsequenz zu verteidigen; die Stoßrichtung Islam ist dabei die gleiche.

Moralisch auf Augenhöhe

Dass sie dabei nicht besser oder schlechter sind als die, die sie anfeinden, findet auch die New York Times in ihrem Leitartikel am 18.1.15 zu Charlie Hebdo. Wer sich auf aggressive Weise ein Feindbild schafft und nach einem schrecklichen Attentat sofort reflexartig neue Provokationen braucht, um das eigene Weltbild in Stand zu halten, der mag sich zwar als Retter der Meinungsfreiheit inszenieren, meint es offenbar aber nicht ganz so genau mit dem Freiheitsbegriff. Denn letztlich wollen diejenigen, die gegen religiöse Fanatiker zu Felde ziehen, nichts anderes, als der verhasste Feind: dem Rest der Welt ihr eigenes („besseres“) Weltbild aufoktroyieren.

Wie kommt es dazu, dass die Fronten so verhärtet zu sein scheinen? Woher kommen die Ängste, die Atheisten auch heute noch haben, wenn es um Religion geht? Auf welcher Grundlage rufen sie auch in Zeiten grassierender Religionsverdrossenheit reflexartig nach mehr Karikaturen und der Verteidigung von allem ihnen Heiligen, obwohl sie doch dem „Heiligen“ abgeschworen haben? Wie kann es sein, dass drei Maskierte Irre, offensichtlich die Macht haben, ganze Länder davon zu überzeugen, dass sie schon bald überrollt werden und ins Chaos getürzt? Wie ist diese offensichtliche Irrationalität zu erklären?

Wenn Sie morgen im Supermarkt ihre Wurstfachverkäuferin erschiessen und dabei „Nieder mit den Fleischfressern!“ schreien, werden doch auch nicht alle Angst vor militanten Vegetariern bekommen, die absolut alles, aber auch wirklich ALLES, was die europäische Kultur bisher an Erhaltenswertem hervorgebracht hat zerstören werden, oder? Und warum darf man heutzutage nicht einfach Rücksicht  auf andere Menschen (egal ob religiös oder nicht) einfordern, ohne dabei gleich als völlig wahnwitziger Feind der Meinungs- oder Pressefreiheit zu gelten? Wenn wir doch wissen, dass so einige Leute Mohammed Karikaturen nicht leiden können, warum müssen wir dann auf jeden Fall trotzdem solche Karikaturen zeichnen, ja sogar die Anfertigung neuer Karikaturen politisch motivieren? Zur Etablierung der Meinungsfreiheit? Das wäre dann in etwa so, als wenn ich mein Auto immer laufen lasse, obwohl ich es gar nicht benutze – also nur weil es erlaubt ist. Zur Etablierung meiner ganz individuellen Freiheit. Ich könnte aber auch einfach den Motor ausmachen, weil diese nervigen Umweltschützer (und vielleicht mein Bauchgefühl) mir sagen „Hey lass das doch, das ist umweltschädlich“. Aber Nein – ich lasse es laufen, weil es mir ein undefinierbares, echt geiles Gefühl von Freiheit gibt. Eine Freiheit, genau das zu tun, was ich für richtig halte. Man mag einwenden, dass die Umweltfanatiker ja auch keine Attentate ausüben, so wie es etwa islamistische Terroristen tun. Wäre es aber, einen Schritt weiter gedacht, sinnvoll, „aus Prinzip“ zum allgemeinen Luftverpesten aufzurufen, sobald eine Gruppe militanter Umweltschützer doch mal ein Auto in die Luft jagt? Die Antwort muss Nein lauten.  Denn auch, wenn man darüber streiten darf, ob Umweltschutz richtig oder falsch ist, wird doch recht deutlich, wie die entstehenden, permanenten Emissionen den Konflikt wie ein Schwelbrand weiter befeuern werden. Wer also ein echtes, prinzipielles Interesse an einer Beilegung des Konfliktes hat, der wird eines mit Sicherheit nicht tun: die Gegenseite provozieren. Überdies darf man nicht vergessen, dass die Provokation viel mehr Menschen betreffen würde, als nur die paar wenigen, militanten Gruppen. Eine Provokation würde diese Menschen zusätzlich radikalisieren, anstatt Spannung abzubauen.

Warum also die blinde Provokation? Woher kommt die äußerst fragwürdige Haltung, dass „Toleranz Grenzen haben muss“ (wie mir mein Nachbar neulich vehement eintrichterte und dabei auch noch Pädophilie und alles andere denkbar schwierige mit in den Topf warf)?

Eine derart verbohrte Haltung ist nur mit irrationaler Angst zu erklären. In Momenten der Panik tritt die Aufgeklärtheit zur Seite und lässt den Ängsten freien Lauf. Toleranz wird relativiert und mal kurz hintan gestellt; gleichzeitig wird reflexartig ausgetreten zur vermeintlichen Verteidigung der eigenen Identität. Die Sorge, dass die mühsam gewonnene Mündigkeit in der Zukunft abhanden kommen könnte, überschattet dabei die realistischen Szenarien bei Weitem. Die Angst, vor einer erneuten gesamtgesellschaftlichen Religionisierung ist immens, obwohl sie alles andere als rational ist.

Money is my Religion

Mal ehrlich: was soll denn schon Schlimmes passieren? Dass sich Frau Merkel plötzlich eine Kutte umhängt und mit Weihrauch frohlockt? Oder, dass Herr Gauck sich einen Bart wachsen lässt und wieder anfängt zu predigen? Ich meine, schön wärs ja – ich frage mich ernsthaft, wie man die ganzen Waffenexporte als Geistlicher in einer schönen Sonntagspredigt so einbaut, dass am Ende ein Schuh draus wird. Und in unserer kalten Gesellschaft wär doch ein bisschen Wärme, Myrrhe und Chorgesang für manch einen längst mal überfällig und vom Therapeuten sicherlich mehr als abgesegnet – aber im Ernst: wer bitte glaubt ernsthaft an eine Rückkehr der Religion in die Mitte der Gesellschaft? Unsere neue, massentaugliche Religion ist mal abgesehen von der neuesten Playstation nach wie vor aus Papier und wird von der EZB gedruckt, sie kennen das Zeug, weswegen sie jeden Tag ihren Arsch zur Arbeit schleppen, nicht wahr?

Diese, unsere, alles durchdringende Religion ist so mächtig und omnipräsent, dass wir uns nicht sorgen müssen, der Islam könnte uns verschlingen. Denn selbst, wenn er das wollen würde, würde es nicht passieren. Der Grund dafür ist denkbar einfach: wir wollen es nicht! Wir brauchen keine neue Religion. Religion (im herkömmlichen Sinne) ist out, und selbst die Christdemokraten fragen sich, ob das „christlich“ in  ihrem Namen noch zieht. Wir hatten bereits unsere religiöse Phase vor dem 18. Jahrhundert und die meisten von uns sind froh (und mitunter stolz), dass wir den Drops längst aufgelutscht haben. Wenn das Kind erst einmal aus den Schuhen heraus gewachsen ist, dann passen die Schuhe nicht mehr. Die alten Schuhe sind zu klein geworden, man braucht neue. Und die kauft man mit: Geld, genau!

Trotz der Aufklärung Europas wäre es ein großer Fehler, wenn wir jetzt glaubten, so wie es bei uns war, müsse es nun überall kommen. Scheinbar haben wir vergessen, dass besagter Drops ein streitbares Thema ist. Und obwohl so manches Leckermäulchen vielleicht einen ganz anderen Geschmack hat als unsereiner (und das ist sein gutes Recht!), schwingen wir uns mir nichts, Dir nichts empor und spielen den Retter der Menschheit, indem wir Religion echt irgendwie daneben oder sogar richtig gefährlich finden – Religion geht gar nicht! -, manch einer sogar insgeheim oder ganz unverhohlen fordert, Religion per Gesetz zu verbieten. Und ohne es zu merken, haben wir unsere Ideologie schon fast zur Religion gemacht, ganz ohne Messias – den brauchen wir auch nicht, denn: der Messias sind wir selbst.

Arrogant und anmaßend sind wir, wenn wir beständig die Tatsache ignorieren, dass sich unsere (Ach so freie!) Welt, wie wir sie heute in Europa Dank Erwerbsarbeit und äh ..Demokratie (Was war das nochmal? Nicht etwa das, wo 90% das eine Wollen aber 10% das andere durchsetzen?) haben, nicht so einfach wie ein Volkswagen exportieren lässt. Gesellschaften lassen sich nicht mal eben – mir nichts, dir nichts – demokratisieren oder gar säkularisieren, das wissen wir mittlerweile. Wer daher weiterhin so tut, als müsse „der Feind“ sich ändern, der liegt damit gehörig daneben. Ein Feind ändert sich leider nicht mal kurz. Ändern können wir nur uns selbst. Wer das nicht begreift, der ist auf halbem Wege dabei, radikal zu werden.

Wenn wir nur halb so fortschrittlich wären, wie wir uns gerieren, dann sollten wir unsere „Werte“, die wir immer flott hervorkramen, um uns zu profilieren, ernster nehmen. Und zu einem wertvollen Leben gehört nun auch mal Respekt und Toleranz („Gewährenlassen fremder Überzeugugen“). Wo ist sie hin, unsere vielgepriesene Toleranz? Wo ist unsere Großzügigkeit? Sind wir wirklich so klein, dass wir sofort einen Beissreflex kriegen, wenn uns jemand provoziert? Wo ist unsere Gelassenheit, unsre Größe, wenn man uns herausfordert, in diesem Augenblick der Provokation, der ganz entscheidend ist? Wenn wir wirklich nicht begreifen, dass wahre Größe weder mit Kampf, noch mit Reflexhaftigkeit zu tun hat, sondern mit Nicht-Kampf und Toleranz, mit aufrichtiger und ernstgemeinter Rücksichtnahme – erst dann könnte man vielleicht (und bitte sehr leise!) anfangen, darüber nachzudenken, ob Europa tatsächlich freiheitlicher (angstfreier)  ist, als die bösen anderen.

PEGADA

Wenn ich diese Bilder aus Erfurt sehe, macht mich das zunächst wütend. Die Pegada Demonstration steht meines Wissens für Bürgerrechte und Frieden. Sie kritisiert die Drohnenpolitik der USA und den Krieg der Nato von deutschem Boden aus. Sie ist gegen die Haltung von Pegida, die „Islamisierung zum Problem zu machen“. Auch TTIP und TISA stehen in der Kritik von Pegada. Man könnte sagen, dass es um die menschenfeindliche Globalisierungsagenda geht, gegen  Turbokapitalismus und Überwachungswahn, die nunmal zu einem beträchtigen Teil aus dem heute nicht mahr ganz so freiheitlichen Land der Freiheit  ausgehen. Dennoch gibt es Gegendemonstranten, die Pegada als Nazis beschimpfen. Warum ist das so? Es ist dasselbe Phänomen, wie ich es selber bei den Montagsdemos erfahren habe und macht zunächst ratlos.
Hier kann man sehen, wie einfache, mediengemachte Feindbilder dazu führen, wie Menschen, die etwas gegen das System machen wollen, sich gegenseitig angreifen und dann leider (auf beiden Seiten) in agressive Phrasen abgleiten.

Der Diskurs, der sich später abzeichnet, macht aber absolut Hoffnung und ist wohl der richtige und einzige Weg. Genial ist der Moment, als die „Nazis raus!“ Rufe der Gegendemonstranten übernommen werden und so recht deutlich wird, dass es viele gemeinsame Standpunkte gibt FÜR Frieden und GEGEN Rassismus. Der aufmerksame und friedliebende Gegendemonstrant wird sich, wenn er ehrlich ist, eingestehen müssen, dass es keinen Sinn macht, eine Bürgerrechtsbewegung für Frieden anzugreifen. Das Trillern mit der Pfeife erscheint schwach im Vergleich zu den  Argumenten der Pegada Demonstranten.

Der schwarze Block, der sich Antifa nennt und immer Israel und US Fahne dabei hat, ist mir auch schon in Berlin begegnet und macht mir zunehmend Angst. Um so schöner ist es, zu sehen, wie die Polizei sich des Problems annimmt. Respekt an die Veranstalter und vor allem auch großen Respekt für die Polizei!

Der wahre Feind der Freiheit

Wie der Axel Springer Chef den kritischen Leitartikel der New York Times zu „Charlie Hebdo“ um 180° umdeutet in die „finale Unterwerfung der Pressefreiheit gegenüber der terroristischen Gewalt“.

Das grausame Attentat auf die Redaktion Charly Hebdo liegt mittlerweile ein paar Tage zurück. In Frankreich herrscht immer noch Ausnahmezustand. Heute sorgte Sarah Wagenknecht mit ihrer Aussage „Wenn eine vom Westen gesteuerte Drohne eine unschuldige arabische oder afghanische Familie auslöscht, ist das ein genauso verabscheuenswürdiges Verbrechen und es sollte uns mit der gleichen Betroffenheit und dem gleichen Entsetzen erfüllen“ für ein Skandälchen (fragt sich nur warum überhaupt).
Die Gemüter sind erhitzt, quer durch die Gesellschaft. Dass Terrorangst und gleichzeitig die Angst vor der Islamisierung umgehen, ist unbestritten. Genauso unbestritten ist die Tatsache, dass diese Ängste gemacht werden (Danke an dieser Stelle auch an Springer!).freedom_of_speech

Denn obwohl die Fakten und Zahlen zur Islamisierung derart ausfallen, dass man sich gar nicht richtig vorstellen kann, hier den wahren Grund für 45.000 besorgte Bürger auf Dresdens Strassen bei Minusgraden gefunden zu haben und obwohl laut Statistik die Gefahr durch Terrorismus in Deutschland verletzt zu werden auch nach Charlie Hebdo immer noch 0,25 mal kleiner ist, als vom Blitz getroffen zu werden, sind die Menschen aufgebracht und diskutieren erregt über die Schlüsse, die man aus Charly Hebdo und der Berichterstattung ziehen sollte – oder nicht ziehen sollte.

Viel ist geschrieben und gesagt worden und vieles war nicht neu. Nicht nur Nato Chef Stoltenberg war sofort ganz vorne mit dabei, den „Zusammenhalt des Militärbündnisses“ zu beschwören (also wenn die NSA es schon nicht hinbekommt, Attentate zu vereiteln, wie soll es dann bitteschön die NATO hinbekommen), sondern auch die üblichen Verdächtigen ratterten gleich drauf los, „jetzt aber endlich Vorratsdatenspeicherung“, „mehr Videoüberwachung“  – der ganze übliche Schwachsinn eben, der bisher nichts half und auch in Zukunft nur helfen wird, unsere Freiheit weiter und beständig auszuhöhlen.

Heute aber stolperte ich über ein ganz besonderes Häppchen Wahnsinn, als ich auf Welt.de diesen Artikel vom Axel Springer Chef höchstpersönlich, Mathias Döpfner, las, der sich darin mit dem Leitartikel der New York Times zu „Charlie Hebdo“ befasst. Er geniert sich zu meiner (ausbleibenden) Verwunderung  offenbar nicht, den Inhalt des nachdenklichen und klugen Artikels – der die Entwicklungen in Frankreich kritisch hinterfragt und zur Debatte stellt, ob sich nicht gerade ein gefährliches „Messen mit zweierlei Maß“ entwickelt – auf perfide Weise umzudeuten in – wer hätte es gedacht – sein genaues Gegenteil. En detail:

Der Artikel eröffnet mit der längt überfälligen Fragestellung, inwiefern der zwanghaft provozierende Säkularist überhaupt moralisch besser ist als sein „Feind“, der Religionsfanatiker.

that there is, by implication, a sort of moral equivalence between deeply held secularist views and the “religious totalitarianism”

Im Weiteren beschreibt der Artikel die härtere Gangart der französischen Behörden, die sofort nach dem Anschlag alles, was irgendwie  verdächtig erschien,  also „Terrorismus rechtfertigend“ oder „unterstützend“ besonders ahndeten und dabei ein neues Gesetz zur Anwendung brachten, mit dem auch zahlreiche Personen in Gewahrsam gebracht wurden:

In the wake of the terror attack, French authorities began aggressive enforcements of a law against supporting or justifying terrorism, including arrests of people who spoke admiringly about the shootings at Charlie Hebdo. Not surprisingly, their actions have raised questions of a double standard — one for cartoonists who deliberately insult religion, when their cartoons are certain to antagonize Muslims at a time when anti-Muslim feelings are already at high levels in France and across much of Europe, and another for those who react by applauding terrorists.

Der Einwand des „doppelten Standards“ scheint berechtigt:  die Grenze ziehen zwischen wohlüberlegter Aufhetzung, zu der man auch die Karikaturen von Charly Hebdo rechnen dürfte, und dem Beifallklatschen zum Terror als solchem ist keine leichte Aufgabe. Weshalb wird beispielsweise der Komiker Dieudonné M’bala M’bala für „Hassreden“ festgenommen, während Charly Hebdo zum Helden stilisiert wird? Wer kann die Linie ziehen zwischen „ekelhafter“ und „gefährlicher“ Rede? Gibt es bald eine Geschmackspolizei?

But drawing the line between speech that is disgusting and speech that is dangerous is inherently difficult and risky.

Letztlich stellt der Artikel fest: Normen des Geschmacks ändern sich. Was gerade geht und was nicht geht, ist immer eine Frage der gegenwätig vorherrschenden, also zulässigen Meinung. Um am Ende vom Lied nicht gar selbst eingebuchtet zu werden, empfiehlt es sich daher (ganz allgemein, aber im Speziellen für Journalisten) in Zeiten, in denen Gesetze schon mal rasch verschärft werden und heute schon als Straftat gilt, was  gestern noch gesagt werden durfte: lieber mal dem brandaktuellen Zeitgeist entsprechen. In dieser Aussage (soweit muss ich Döpfner beipflichten) steckt Zündstoff. Denn sie heißt soviel wie: wer den Zeitgeist und die dazugehörige Meinung vorgibt, der entscheidet einzig und allein darüber, was am Ende des Tages geschrieben wird und was nicht. Kontrolle. Trotz Meinungsfreiheit.

„To judge what is fit – or safe – to print“

Auch in Zeiten von „Meinungs- oder Pressefreiheit“: Welcher Komiker am Ende im Knast landet – oder in den Geschichtsbüchern, entscheidet die Norm. Besorgniserregende Aussichten auf eine Zukunft, in der Bots im großen Stil die Meinung mitgestalten werden.

Der ebenfalls besorgte Döpfner macht nun aus diesem Satz seine ganz eigene Gruselstory. Er sieht schon die Felle der freien Presse schwimmen, weil ja alle so eine furchtbare Angst haben und sich wahrscheinlich gar nicht mehr zur Arbeit trauen. Äh, lesen sie Zeitung, Herr Döpfner?

Vor wenigen Tagen hatte ich mehrfach öffentlich meine Sorge geäußert, dass die Attacke auf eine ganze Redaktion im Zentrum der westlichen Welt langfristig eine Verhaltensänderung, eine neue Vorsicht und Zurückhaltung mancher Medien im Umgang mit islamistischem Fundamentalismus bewirken könnte – nach dem Motto: Wir wollen doch nicht provozieren – und dass dies der ultimative Sieg der Terroristen sein würde.

Ja, ja, eine „Verhaltensänderung“ – das wär mal was. Eine Verhaltensänderung mal nicht aus Angst, sondern aus Rücksicht. DAS GEHT, Herr Döpfner! Glauben Sie nicht? Wollen Sie nicht?Schade.

Jedenfalls Danke, dass Sie mich auf den mutigen Artikel in der NewYorkTimes aufmerksam gemacht haben. Ich vermute mal, sie hatten einfach zuviel zu tun – sonst wären sie sicher auch von selbst drauf gekommen, dass die wahrlich gefährlichen „Feinde der Freiheit“, wie Sie sie so liebevoll nennen, nicht immer die sind, von denen man es zuerst denkt, weil es so in der Zeitung steht, die Sie herausgeben. Manchmal erschrickt man sogar, weil sie plötzlich auftauchen, wenn man in den „Spiegel“ schaut.

 

 

 

 

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